Samstag, 23. April 2005

Die Qualen eines Chemiepraktikums

Von vorne fang ich auch hier wieder mit erzählen an!
Im Alltagsleben ist es immer da, ohne überhaupt genannt zu werden, immer umgibt sie uns, still und schweigend...die CHEMIE! Mit ihr kann man Millionen von Mittelstufenschülern quälen, mit ihr kann man ein paar wenige chemical students zu einer schäumenden Philosphie treiben, und zuletzt: mit ihr kann man den Biologiestudis den letzten Nerv rauben!
Am ersten Montag --voller Tatendrang und guten Vorsätzen-sass ich im Hörsaal hinter Herrn F. und Frau S. und nichtswissend liess ich die Einführungsstunde über mich ergehen, diese Tipps wie ich im Falle des Falles meine brennenden Kollegen aus dem Labor rette:)nix da wir retten ja als erstes immer uns selber....meiner Meinung nach rennen die Assistierenden sowieso als erste raus...

kaum den Laborplatz mit meinem Bruder bezogen, da kam mir schon der erste Zweifel auf, ob ich überhaupt die ganze Ausrüstung aus dem letzten Jahrhundert persönlich wieder abgeben kann und nicht in Urnenform!

Und siehe da eine Woche später wars so weit: das erste Praktikum...mit Stift bewaffnet in der Einführungsstunde von 13 bis 14 Uhr: Eine monströs wirkende Dame an der Tafel, dominant die Formeln hinschreibend, in exercierendem Militärton mit den Pipetten herumhantierend...wie eine in den Stall getriebende Schafherde ab ins Labor hinauf, gehetzt von diesem weiblichen Kommandanten an den Platz, um zu filtieren, dekantieren, abnutschen, Löslichkeitprodukte berechnen, der Kampf mit dem Le-Chatelier-Gleichgewicht und 1-2-3 ,1-2-3 im Gleichschritt die jeweiligen Lösungen herstellend- wenn man überhaupt mal einen Feststoff irgendwo links vorne hinten rechts oder unten fand.
Da schnappte ich mir einfach mal den Eisen-3-Feststoff und hastete an unseren Platz zurück-Mir gehört das Ding jetzt-das dachte ich, bis wir zwei vor Schreck zusammenzuckten als eine tiefe Stimme gellend von hinten bellte: "Diese Flasche gehört n-i-c-h-t- an euren Platz"
Vor Schreck verpulverte ich die Hälfte auf meine Hand -welche im Verlaufe des Mittages eine Gelbfärbung annahm die bis zum heutigen Tag noch festsitzt...
Nun ja, unsere Assistentin-dachten wir damals- hat wenigstens nur einen etwas scharten Ton an sich, nur halb so wild also, aber ver.ammt noch mal ohne Testat schleiften wir uns um halb 7 raus, ganz dehydriert, diese doofe XXL-Brille auf unserem verschwitzten Gesicht klebend, dürstend, nach etwas Süssem lechzend, aufs Klo rennend um unsere seit 6 stunden gefüllte Blase zu entleeren...9,5 Stunden Uni und davon 7.5 Chemie (inkl.Vorlesung) das war mir die reinste Overdose, den Rest der Woche war ich halb bettlägerig.

Bis am darauffolgenden Montag dem 18ten, letzte Woche. Schon wieder standen wir da, diesmal ohne jede Hoffnung.
Im Einführungshörsaal empfing uns die Stimme der Vorgesetzten: "in diesem Hörsaal haben Eure Chemiemantel nichts zu suchen, abziehen!!!!!!" Du meine Güte!
Wieder wurden die Schäflein nach einer Stunde ins Labor getrieben von den Assistenten als Schlusslichter mit imaginären Stöcken. Und wieder Lösungen über Lösungen, 10 hoch minus 3 molar, Gleichgewichtskonstanten, Brille raufschieben,"Jawohl-Sir!!!!"-sich von dem Oberkommandanten belehren lassen...wir stierten auf das Zifferblatt der Uhr, bald 6...die meisten Assistierenden standen ihren Schützlingen schon bereit um Autogramm bzw. Testat zu geben sie wollten ja selber nach Hause, zur Freundin, Frau Kind, zur After-work-party oder zur Chemiechillout-lounge oder weiss ich wo....aber NEIN, keine Anstalten uns schwitzende, völlig desperate students zu erlösen vom bösen...
"Rechnet die Konstante und alles noch mal aus.." - "Aber da muss ich ja alles radieren...." stöhnte ich zum Versuch.."Nichts da! Abmarsch r-e-c-h-n-e-n!!"
Um 19 Uhr endlich!!!! Es sollte ein Testat geben....wir sitzen wie Kartoffelsäcke herum, wir sind zu fünft unsre Mitstudenten sind schon längst über den Berg...."Aufgabe 2.2", gellend und gereizt ihre Stimme.....3 Studis ausser ich und mein Bruder halten Zettel bereit...shit ich hatte das nicht ins Laborheft geschrieben, ausserdem das Blatt mit den Aufgaben zu Hause gelassen...stotterte ich hin. Ein "Das muss im Heft sein, glaub ich Dir nicht Deine Ausrede.." kam zurück, und desperate wie ich war versank ich zusammen mit dem Bruder in einem abgrundtiefen schwarzen Loch, während dem die anderen braven drei missmutig die Resultate runterleierten.

Gott helfe mir, dieses Gebet schickte ich mehrmals zum Himmel, bis mein Name aufgerufen wurde um die nächsten Resultate vom Versuch der letzten Woche zu erklären. Immer wieder hackte man auf uns herum, immer wieder versuchte ich meine Mitstudis zu retten indem ich intelligent Fragen einwarf, zumindest meinte ich sie waren intelligent...eigentlich war mein Hirn schon seit etwa 3 Stunden nicht mehr am arbeiten: RESULTAT der ganzen Situation: der eine Mitstudent trippelte nervös mit den Füssen, bestrafte mich mit bösem Blick für jede dumme Frage, döggelte auf dem Natel SMS an x Leute dass er 3 Stunden später nach Hause komme, die anderen 2 sassen stumm da, mein Bruder wurde mit tausenden von löchernden Fragen bombardiert auf die er wie ein Maschinengewehr Anwort geben musste während dem die Farbe ganz aus seinem Gesicht wich...und ich, ich war kurz davor zu explodieren, mein Mund war trocken, mit letzter Kraft warf ich unzählige Fragen auf auf die nicht mal die Assistentin selber eine Antwort geben konnte...und jetzt gelte ich als arrogant, mir egal..
Hauptsache alles hat ein Ende ausser die Wurst hat 2!
um halb 8 war der Spuck vorbei, und 1,2,3 radelten wir nach Hause, und gönnten uns ---endlich- eine einwöchige Pause...

Bald (!!) die nächste Folge von:
desperate students (im Chemiepraktikum)

Rheinnixe in der Flut

Hilfe... Rheinnixe wird überflutet ;-)

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